MCAS steht für Mastzellaktivierungssyndrom und ist eine Erkrankung bei der Mastzellen zu viele Botenstoffe freisetzen. Dies kann neben Auswirkungen auf den Verdauungstrakt, Haut, oder Ähnliches, auch Auswirkungen auf die Psyche haben. Die Psyche wiederum hat ebenfalls Auswirkungen auf den Verdauungstrakt.
Es gibt eine Reihe von naturheilkundlichen Interventionen, die helfen können, das Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS) und psychische Auswirkungen zu verbessern. Gleichzeitig gibt es aber auch Antidepressiva, die einen stabilisierenden Effekt auf Mastzellen oder einen antihistaminergen Effekt haben, und diese möchte ich in diesem Artikel aufführen. Antihistaminerg heißt, dass diese Antidepressiva gegen das Histamin wirken, was oftmals beim Mastzellaktivierungssyndrom oder beim Histamin-Intoleranz-Syndrom (HIS) in zu hoher Konzentration freigesetzt wird.
Dieser Beitrag behandelt ein Gesundheitsthema. Es ist wichtig, dass du deine Symptome durch medizinisches Fachpersonal untersuchen und behandeln lässt. Dieser Artikel kann keine Betreuung und Beratung durch Fachpersonal ersetzen und möchte es auch nicht.
Unterschiedliche Klassen von Antidepressiva bei MCAS & HIS
Trizyklische Antidepressiva (TZA)
Trizyklische Antidepressiva wirken, indem sie die Konzentration von Neurotransmittern (Serotonin und Noradrenalin) im Gehirn erhöhen, was zur Verbesserung der Stimmung und zur Linderung von Depressionen beiträgt. Sie haben auch teilweise antihistaminerge Eigenschaften, was für MCAS-Patienten besonders wichtig sein kann, da eine Stabilisierung der Mastzellen sich positiv auswirkt. Dies ist die älteste Generation von Antidepressiva.
Sie werden auch bei neuropathischen Schmerzen, Migräne und auch in niedriger Dosierung bei Reizdarm-beschwerden eingesetzt. Dies können alles Co-Morbiditäten bei MCAS sein, also daneben zusätzlich auftreten.
Zu den häufig verwendeten TZA gehören Amitriptylin, Nortriptylin, Imipramin und Doxepin. Jedes dieser Mittel hat leicht unterschiedliche Eigenschaften und Nebenwirkungen.
Letztere sind Mundtrockenheit, verschwommenes Sehen, Verstopfung, Harnverhalt und Schläfrigkeit. Diese Nebenwirkungen schränken ihre Verwendung häufig ein, insbesondere bei älteren Personen. Bedingt sind diese Nebenerscheinungen durch die anticholinergen Eigenschaften der trizyklischen Antidepressiva. Was genau anticholinerg bedeutet und wie wichtig dies für Mastzellpatienten ist habe ich in einem eigenen Artikel zu anticholinergen Medikamenten beschrieben.
Mirtazapin – ein spezielles Antidepressivum bei MCAS und Histaminintoleranz-Syndrom
Mirtazapin ist ein trizyklisches Antidepressivum, welches den Vorteil hat, dass es vergleichsweise wenig anticholinerg wirkt, also weniger Effekte auf das Nervensystem hat. Es ist ein Antidepressivum, das als noradrenerges und spezifisch serotonerges Antidepressivum (NaSSA) eingestuft wird und üblicherweise zur Behandlung von schweren depressiven Störungen eingesetzt wird.
Darüber hinaus wirkt Mirtazapin als Antagonist an Histamin-H1-Rezeptoren, das heißt, es wirkt wie ein Antihistaminikum, also ein Medikament, was zur Behandlung von Allergien, MCAS und Histaminintoleranz eingesetzt wird. Zusätzlich wirkt die H1-blockierende Wirkung leicht sedierend und kann daher bei Schlafstörungen helfen. Gerade bei MCAS können häufig Symptome wie Schlaflosigkeit, Angst und Depression auftreten. Zu guter Letzt wirkt Mirtazapin gegen Übelkeit und Erbrechen.1 Eine weitere Nebenwirkung ist gesteigerter Appetit und Gewichtszunahme, was sich bei untergewichtigen Personen als hilfreich erweisen kann.
Mirtazapin hat sich zudem als hilfreich bei der chronischen Urtikaria erwiesen: einer Hauterkrankung, die mit Quaddeln und Juckreiz einhergeht und oftmals auch auf eine Überaktivität von Mastzellen zurückzuführen ist.2
Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und MCAS
SSRI sind eine Klasse von Medikamenten, die den Serotoninspiegel im Gehirn erhöhen. Serotonin ist ein Neurotransmitter, also ein Botenstoff, der sich u.a. im Gehirn auswirkt. Zu den gängigen SSRI gehören Fluoxetin, Sertralin, Citalopram und Escitalopram.
SSRI können Nebenwirkungen haben, darunter Magen-Darm-Beschwerden, sexuelle Funktionsstörungen und in einigen Fällen vermehrte Angst oder Unruhe, insbesondere zu Beginn der Einnahme.
Bei MCAS-Betroffenen kann es zu einer Überschneidung von psychiatrischen Symptomen wie Depressionen und Angstzuständen kommen. SSRIs können bei der Behandlung dieser Aspekte wirksam sein. Es ist jedoch wichtig, zu unterscheiden, ob diese Symptome eine direkte Folge des MCAS oder einer unabhängigen psychiatrischen Erkrankung sind. Manchmal sind auch da die Übergänge fließend.
In einem Rattenmodel mit depressiven Ratten konnte Fluoxetin die Freisetzung von Mastzellmediatoren durch chronischen Stress vermindern.3 Stress an sich führt bereits zur Mastzelldegranulation und daher können Antidepressiva an diesem Hebel ansetzen.
Gleichzeitig können Mastzellen Serotonin auch freisetzen4, sodass manche Betroffene berichten, dass es zu einer vorübergehenden als auch einer dauerhaften Verschlimmerung der Symptome durch einen Serotoninüberschuss kommen kann.
Selektive Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) und MCAS
Zu dieser Klasse von Antidepressiva gehören Venlafaxin, Duloxetin als auch Milnacipran: Milnacipran hat die potenteste Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmung und Venlafaxin die geringste.
Ein Teil der Nebenwirkungen überschneidet sich mit denen von klassischen SSRI, wie sexuelle Funktionsstörungen oder Magen-Darm-Beschwerden. Aber auch Übelkeit, trockener Mund, Schwindel und vermehrtes Schwitzen können dazugehören.
In einem Rattenmodell kam es durch Venlafaxin zu erhöhtem Östrogenspiegel, dem weiblichen Geschlechtshormon, und darüber zu einer erhöhten Mastzellzahl im Gewebe. Denn Östrogen sorgt im Allgemeinen für eine vermehrte Mastzellaktivierung und Bildung.5 Gleichzeitig hat Venlafaxin aber auch anti-entzündliche Eigenschaften und hat im Tiermodell Entzüdungsparameter wie TNFalpha und Interleukin-1ß reduziert.6 Natürlich lassen sich die Ergebnisse von Tiermodellen nur mit äußerster Vorsicht auf den Menschen übertragen, aber es gibt leider dazu zu wenig Untersuchungen am Menschen.
Auch bei SNRI gilt wie bei SSRI, dass die Verträglichkeit bei Mastzellpatienten variiert und die Medikamente am besten vorsichtig ausprobiert werden sollten.
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Pregabalin und MCAS
Pregabalin ist ein Medikament, das hauptsächlich zur Behandlung von neuropathischen Schmerzen, Fibromyalgie und als Zusatz bei bestimmten Arten von Anfällen (Epilepsie) eingesetzt wird. Es ist ebenfalls zur Behandlung der generalisierten Angststörung zugelassen und gehört zu einer Klasse von Medikamenten, die als Gabapentinoide bekannt sind.
Pregabalin wirkt durch Bindung an die Alpha-2-Delta-Untereinheit der spannungsgesteuerten Kalziumkanäle im zentralen Nervensystem. Dadurch wird die Freisetzung verschiedener Neurotransmitter, darunter Glutamat, Noradrenalin und Substanz P, die bei der Schmerzsignalisierung und der Anfallsaktivität eine Rolle spielen, reduziert.
Es ist wichtig, sich der Nebenwirkungen von Pregabalin bewusst zu sein, die Schwindel, Schläfrigkeit, verschwommenes Sehen, Gewichtszunahme und Konzentrations- oder Aufmerksamkeitsstörungen umfassen können. Bei Patienten mit MCAS, die möglicherweise empfindlicher auf Arzneimittelwirkungen reagieren, müssen diese Nebenwirkungen sorgfältig überwacht werden.
Pregabalin kann zu körperlicher Abhängigkeit führen, und ein abruptes Absetzen kann zu Entzugserscheinungen führen. Beim Absetzen des Medikaments muss die Dosis unter ärztlicher Aufsicht schrittweise reduziert werden.
Die Dosierung von Pregabalin bei MCAS-bedingten Symptomen ähnelt derjenigen, die bei neuropathischen Schmerzen oder Fibromyalgie verwendet wird. Sie beginnt in der Regel mit einer niedrigen Dosis und wird je nach Ansprechen und Verträglichkeit hochtitriert.
Pregabalin wird zwar traditionell nicht zur Behandlung von MCAS eingesetzt, kann aber bei der Behandlung bestimmter Symptome, die mit der Erkrankung einhergehen, wie neuropathischen Schmerzen oder Fibromyalgie-ähnlichen Symptomen, die bei einigen MCAS-Patienten auftreten können, hilfreich sein. Zudem kann die Blockierung von Calciumkanälen Mastzellaktivierung verhindern. Es gibt einen beschriebenen Fall, bei dem der Einsatz von Pregabalin zur Reduzierung von Antihistaminika bei MCAS führte.
In einer Studie zu Juckreiz zeigte sich, dass Pregabalin auch zur Reduzierung von Juckreiz eingesetzt werden kann, was teilweise auch ein belastendes Symptom bei MCAS und Histaminintoleranz ist.7 Des Weiteren kann es bei Schlafstörungen eingesetzt werden, die ebenfalls eine Begleiterscheinung von MCAS & HIS sein können.8
Generelles zu Antidepressiva und MCAS sowie Histamin-Intoleranz-Syndrom
Wie in diesem Artikel gezeigt, können Antidepressiva ein wirksames Tool sein, um ein MCAS oder HIS zu behandeln, wenn gleichzeitig noch psychische Symptome, und Symptome wie Übelkeit, Erbrechen oder Schlaflosigkeit hinzukommen. Hier kann insbesondere Mirtazapin wegen seiner schlafanstoßenden, antihistaminergen Wirkung hilfreich sein.
Quellen
1. Nutt DJ. Tolerability and safety aspects of mirtazapine. Hum Psychopharmacol. 2002;17 Suppl 1:S37-41. doi:10.1002/hup.388
2. Bigatà X, Sais G, Soler F. Severe chronic urticaria: response to mirtazapine. J Am Acad Dermatol. 2005;53(5):916-917. doi:10.1016/j.jaad.2005.05.040
3. Chen ZH, Xiao L, Chen JH, et al. Effects of fluoxetine on mast cell morphology and protease-1 expression in gastric antrum in a rat model of depression. World J Gastroenterol WJG. 2008;14(45):6993-6998. doi:10.3748/wjg.14.6993
4. Nautiyal KM, Dailey CA, Jahn JL, et al. Serotonin of mast cell origin contributes to hippocampal function. Eur J Neurosci. 2012;36(3):2347-2359. doi:10.1111/j.1460-9568.2012.08138.x
5. da Silva AAS, de Santi F, Hinton BT, Cerri PS, Sasso-Cerri E. Venlafaxine increases aromatization, reduces apical V-ATPase in clear cells and induces increased number of mast cells and smooth muscle cells death in rat cauda epididymis. Life Sci. 2023;315:121329. doi:10.1016/j.lfs.2022.121329
6. The anti-inflammatory effects of venlafaxine in – ProQuest. Accessed January 25, 2024. https://www.proquest.com/docview/1704355922?sourcetype=Scholarly%20Journals
7. A four arm, double blind, randomized and placebo controlled study of pregabalin in the management of post-burn pruritus. Burns. 2013;39(1):24-29. doi:10.1016/j.burns.2012.09.016
8. Roth T, Arnold LM, Garcia-Borreguero D, Resnick M, Clair AG. A review of the effects of pregabalin on sleep disturbance across multiple clinical conditions. Sleep Med Rev. 2014;18(3):261-271. doi:10.1016/j.smrv.2013.07.005
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